Zu dem, in dieser Verordnung N. 16) gedachtem Heroldsamte, welches 1720. angerichtet wurde, hat der ehemalige Vicepräsident des Revisionskollegii, Hr. Joh. Friedrich von Schmieden, (67) dem Senat
(67) Dieser Herr hat nach seiner Zurückkunft in Deutschland eine Nachricht von der
rußischen Nation, ihren Sitten und Gebräuchen und verschiedenen in Rußland,
unter Petro I. vorgefallenen, Merkwürdigkeiten, in Form einiger Unterredungen
eines reisenden rußischen Bojaren mit etlichen vornehmen Deutschen, aufgesetzt
und zum Drucke bestimmt. Das geschriebene Werk macht 61. Bogen
aus. Ich habe diese Rangordnung sowol als Verschiedenes von demjenigen, was
noch folget, mit Erlaubniß des Hrn. Ernst Ludewig Orlich, treuverdienten
Pastoris zu St. Martini in Braunschweig, meines geneigten Gönners und
wahren Freundes, der solches, als des fel. Hrn. von Schmieden Schwiegersohn,
besitzt, daraus abgeschrieben und unseres Salmons Nachrichten beygefüget.
den ersten Entwurf übergeben. Der erste Oberheroldsmeister war
der ehemalige Vicegouverneur in Siberien, Kolitzschof; weil aber derselbe
kurz hernach wegen seiner, in dem siberischen Gouvernement begangnen,
Unterschleife und Ungerechtigkeiten, welche man in dem itzterwehnten Revisionskollegio
aufs genaueste untersuchte, gefänglich eingezogen und an den
Galgen gehenkt wurde: so wurde ein Obristlieutenant, Namens Pletzschegef
hinwiederum zu diesem Amte bestellt, und demselben der Rath, Graf
Santini, ein Savoyer, zum Gehülfen gegeben. Denn ob man gleich
damals schon ein weitläufiges Geschlechts- und Stammbuch aller alten
und großen im rußischen Reiche befindlichen Fürsten, Grafen, Freyherren
und Edelleuten hatte: so wollte doch Peter I. gerne wißen, ob nicht mehr
oder weniger vornehme Geschlechter, als in solchem Buche stunden, in Rußland
wären, im gleichen, wie viel Söhne ein jeder solcher Herrn hätte, wo
sich ein jeder aufhielte, was er für ein Wapen führte, von wem er solches
empfangen, und wie er seinen Adelstand von hundert Jahren her erweisen
könnte? Denn es ist ausgemacht, daß sich in den ehemaligen großen
Empörungen und Regimentsveränderungen viele fremde Familien unter den
rußischen Adel gemenget, und sich auch verschiedene wol eigenmächtig eines
Titels und Wapens angemaßet haben. Ueberdieses [sic, S.U.] wollte der Czaar
dadurch den Unordnungen und üblen Folgen vorbeugen, die aus dem,
sonst in Rußland gebräuchlichen, Rechte der Erstgeburt zu entstehen
pflegten, indem viele jüngere Söhne guter Familien in Verfall und Armuth
und oft außer Stand geriethen, eine ansehuliche [ansehnliche? S.U.] Bedienung zu bekleiden.
Hiernächst hatte er dabey die Absicht, die Wapen der Familien
in Richtigkeit zu bringen und die, so sich von Adel schrieben, oder adliche Wapen
führten, und doch nicht wirklich von Adel wären, gehörig zu bestrafen,
die wahren fürstlichen, gräflichen, freyherlichen und adlichen
Häuser aber mit ihren nach der Wapenkunst geschilderten Wapen zum
ewigen Gedächtniß in ein ordentliches Geschlechtsbuch zusammentragen zu
laßen. Er befahl daher schon 1721. daß alle adliche Geschlechter aus
einer jeden Provinz nach und nach vor dem Heroldsamte erscheinen
und ihren Adel beweisen sollten. Weil man aber sehr saumselig war, diesem
Befehle Folge zu leisten: so erschien zu Moskow den 11. Jenner 1722.
folgendes geschärftes Mandat:
„Nachdem wir schon zu verschiedenen malen, nämlich unterm 8.
„ und 30. Aug. 24. Sept. und 24. Octob. des verfloßenen Jahres in
„alle Gouvernements und Provinzen Befehle ausgehen laßen, daß alle
„edle Geschlechter, imgleichen [sic, S.U.] die abgedankten Officiers insgesamt, von den-
„jenigen aber, so in wirklichen Diensten stehen, die Hälfte, außer
„den siberischen und astrakanischen, und zwar aufs längste und un-
„ausbleiblich im December 1721. sich in Moskow einfinden und bey
„dem Heroldsmeister, [sic there is a blank, S.U.] , Kolitzschof, aufzeichnen laßen sollen, jedoch
„sich bishero noch nicht alle dazu eingestellt haben: so werden dieselben,
„durch diesen unseren letzten Befehl, nochmals ernstlichst daran erinnert,
„und zugleich wird denjenigen adlichen Geschlechten, die vorher schon in
„den Städten des Petersburgischen Gouvernements aufgezeichnet wor-
„den, auch den daselbst befindlichen abgedankten Officiers, welche in Pe-
„tersburg haben erscheinen sollen, befohlen, insgesammt nach Mos-
„kow zu kommen, und sich daselbst noch vor dem Ausgange dieses Mo-
„nats Januari bey dem Tafelherrn, Kolitzschof, einschreiben zu laßen.
„Wer nun vor diesem Termine und bis auf den letzten Tag dieses Mo-
„nats seine Ankunft nicht meldet, der soll hiermit für einen Bufurman,
„d. i. für unehrlich und für einen Verräther erklärt seyn, auch zu keinem
„Amte hinführo befördert werden. Und wenn hernach einer von solchen
„unehrlich erklärten beraubet, geplündert, verwundet oder auch auf den
„Tod geschlagen wird: so soll von solchem keine Klag - oder Bittschrift
„angenommen, noch ihm einige Justiz ertheilet werden, auch sollen alle
„deßelben bewegliche und unbewegliche Güter unwideruflich an Uns verfal-
„len seyn. Ferner sollen alle diejenigen, welche bereits beym Senat in
„Petersburg zur Musterung gewesen, desgleichen auch, diejenigen, welche
„Altershalben oder wegen Verlähmung abgedankt sind usw. insgesammt den
„1. März 1722. zu Moskow seyn; und, wofern sie sich nicht, aufge-
„dachten Termin oder längstens eine Woche hernach, daselbst einfinden,
„ebenfalls in obgedachte Strafe verfallen seyn und ihre Namen öffentlich
„an den Galgen geschlagen werden. Wer auch einem solchen durchhelfen
„würde, daß er sich dieser Musterung und Einschreibung entzöge, soll mit
„jenen Nichtswürdigen gleicher Strafe theilhaftig und eben so wol geächtet
„seyn. Wer hingegen solche Unehriche ergreifen und einliefern wird, der
„soll, er mag seyn, wes Standes, er wolle, und wenn es auch einer von
„ihren selbsteignen Leuten wäre, die Helfte von ihren verfallenen Gütern
„zur Belohnung erhalten. Und von diesem Befehle sollen in allen Gou-
„vernements und Provinzen gedruckte Exemplaria ausgetheilt und bekannt
„gemacht werden, damit sich Niemand mit der Umwißenheit entschuldigen
„könne. Moskow den 11. Jan. 1722. „
Diesem ernstlichsten Befehle zu Folge, fanden sich schleunigst alle
adliche Geschlechter in Moskow ein, so daß alle Häuser davon voll
waren und man das Prächtige von ganz Rußland beysammen sehen
konnte.
Es wäre zu wünschen daß auch dereinst, durch dergleichen Befehl,
oder auf eine andere bequeme Art, die Rußischen von Adel genöthiget
würden, die, bei ihren Familien hin und wieder noch verborgen liegenden,
ungedruckten historischen Nachrichten ans Tageslicht zu bringen,
damit dadurch die alte rußische Geschichte könnte erweitert, verbeßert
und bestätiget werden. Denn es haben verschiedene vornehme Häuser,
ungeachtet der ehemaligen Unwißenheit, so in Rußland herschte, vom Vater
zu Sohne, seit etlichen hundert Jahren alle diejenigen Begebenheiten
der Czaare, in welche ihre Familie und ihre Anverwandten mit eingeflochten
gewesen, zu Papiere gebracht, und ihren Nachkömmlingen hinterlaßen.
Ehedem war es ein Verbrechen, mit dergleichen Nachrichten zum Vorschein
zu kommen. Und es war eine von den Staatsmaximen der rußischen Regierung,
den Unterthanen zu verbieten, von Rußland etwas zu schreiben. Als 1689. der
Fürst, Galiczin, mit der Armee in die krimmlische Tatarey marschirte, befand
sich den derselben ein Edelmann, Namens Rosladin, welcher für sich und
zur Befriedigung seiner Neubegierde ein Tageregister hielt. Wie aber der
Fürst solches erfuhr: ließ er nicht nur den Schriftsteller in Ketten und
Bande legen, sondern auch deßen Journal öffentlich verbrennen, obgleich
nichts in demselben aufgezeichnet war, das wider des Reichs oder des Fürsten
Intereße lief. Ja, wäre der Fürst kurz drauf nicht selbst unglücklich
geworden: so möchte es diesem guten Rosladin wol gar den Kopf gekostet
haben. Diese Politik, sagt Strahlenberg, wurde noch, zur Zeit unsrer
Gefangenschaft in Siberien, beobachtet, so gar, daß der Czaar selbst
von seinen etwas abgelegenen Ländern die eigentlichen Umstände nicht zu
wißen bekam. Mehrgedachter Herr von Strahlenberg hatte 1715. mit
vieler Mühe eine Landkarte von Siberien und der Tatarey verfertiget,
und wollte dieselbe an einen gewißen Freund in Rußland übersenden, der
ihm 200. Speciesdukaten dafür versprach, und solche in Kupfer stechen zu
laßen willens war. Es wurde ihm aber solche von dem siberischen Gouverneur,
Kniäs Gagarin, weggenommen, weil auf der Karte viele besondere
Dinge und Oerter, als z. E. solche, wo Mineralien und andere nützlizche
Sachen zu finden waren, angemerkt worden. Daher äußert dieser fleissige [fleißige? S.U.]
und gemeinnützige Mann in seiner historisch - geographischen Beschreibung
des nord- und ostlichen Theils von Europa und Asia
S. 197. das billige Verlangen, daß bey itzigen Zeiten, da dergleichen politische
Maximen beßer eingesehen werden, einige große Herrn und eingeborne
von Adel in Rußland nicht allein zur Untersuchung und Bekanntmachung
der alten, sondern auch der neuen rußischen Historie beförderlich seyn
möchten; wozu seiner Meynung nach, der Hr. von Ostermann und Schaphirof,
imgleichen der ehemalige geheime Kabinetsrath, Makarof und der
Oberkriegssekretair, Wolkow, insonderheit, was die Historie Petri I.
betrift, am geschicktesten gewesen seyn würden. Der ehemalige rußische Kriegsrath
und Hofmeister des unglücklichen Kronprinzen, Alexi Petrowitz, der
Hr. Baron von Huyßen, welcher hernach, als ein Pensionair, in Petersburg
gelebt, soll eine so vortrefliche Kenntniß in der historie von Rußland,
als irgend jemand, gehabt, und auch in lateinischer Sprache eine
schöne Lebensbeschreibung Petri I. aufgesetzt haben, von welcher der Hr.
von Haven benachrichtigt worden, daß solche bereits gedruckt sey, wiewol
mir solches nicht bekannt ist. Hr. Weber hält dieses Werk an sich selbst
für sehr gut, und der Durchlesung würdig: meynt aber doch, daß, weil
dieser, sonst gelehrte, Mann weder aus der rußischen Kanzley, noch sonst
andere Hülfsmittel dabey gebraucht, als was die aufgehobenen Zeitungen,
historischen Merkurs und dergleichen öffentliche Schriften ihm an die Hand
gegeben, noch vieles daran auszusetzen, und zu wünschen wäre, daß er
vor der Herausgabe noch ein mehreres Licht bekommen und also von
den Thaten des Czaars Petri I. etwas Vollkommnes liefern möchte.