1) In Petri Jaenichii notitia bibliothecae Thorunii (im Gelehrten Preussen Thorun. 1723
T. II. p. 222 ff. [Correct reference?]) wird ein Inhaltsverzeichniss dieser Handschrift unter n. XXI mitgetheilt.
Jaenich fügt am Schluss hinzu: Venit Codex a familia Strobandiana, Schottendorffis haerede,
uti in frontispicio libri apparet. Eine sichtliche ausradirte Stelle auf der innern Seite des
Einbandes an unserer Handschrift scheint eine solche Notiz enthalten zu haben.
2) Chronica seu Annales Wigandi Marburgensis equitis et fratris ordinis Teutonici.
Primuni ediderunt Joannes Voigt et Eduardus Comes Raczyński Posnaniae 1842. Puścizna po
Janie Długoszu dziejopisie polskim, to jest: Kronika Wiganda z Marburga rycerza i kaplana
zakonu krzyżackiego na wezwanie Długosza z rymowanej kroniki niemieckiej na język laciński
przetłomaczona. Na polski język przęlożył ją, Edward Hr. Raczyński. Wydania Jana
Voigta i Edwarda Hr. Raczyńskiego. Puznań w księgarui nowei 1842. 4o.
liegt, und die vorhandenen Fragmente zu unbedeutend sind, um daraus allein eine genügende Einsicht von dem Verfasser und seinem Werke zu gewinnen, so konnten die Herausgeber der preussischen Geschichtsquellen die schwierige Aufgabe nicht von sich weisen, durch eine Zusammenstellung und Sichtung der in der Uebersetzung und in den Bearbeitungen vorgefundenen Ueberreste jener Reimchronik mit Hinzunahme der Fragmente eine Restauration des verloren gegangenen Werkes wenigstens seinem Inhalte nach zu versuchen. Für diesen Zweck waren vor allem die Beschaffenheit und der Werth dieser Ueberreste selbst in Betracht zu ziehen.
1) Töppen hat in seiner Gesch. der Preuss. Historiographie p. 131 die 8 hierher gehörigen
Stellen aufgezählt.
2) Es finden sich im Dłgosz aus Wigand aufgenommen die Capitel 20, 25, 26, 28, 32,
37, 38, 40, 42—49, 51—57, 59—64, 67—77, 79—90, 92—95, 97—103, 133, 134, 138, 150—
152, 154—162 und 183; überdies einzelne Notizen aus c. 13, 16 und 17.
3) Vgl. auch c. 13. in die s. Johannis.
in Johannisburg und dessen »Danziger« (priveta), während Długosz aus dem Gdanczk des Originales eine Eroberung von Danzig herauslas. In gleicher Weise enthalten die den Abschnitten C. 52, 54 und 61 der Uebersetzung entsprechenden Mittheilungen Długosz's Aenderungen, deren Ursprung füglich nur aus einer Einsicht in das Original abzuleiten ist. Man ist demnach berechtigt in den Abweichungen seines Werkes von der lateinischen Uebersetzung Wigands sowie in seinen Zusätzen Spuren des Wigandischen Originales zu vermuthen. Diese Erwartung wird jedoch bei näherer Untersuchung nur in äusserst geringen Fallen befriedigt. Zunächst hat Długosz durchweg sich den Inhalt der Chronik auf eine ganz oberflächliche Weise angeeignet; in den meisten Fallen giebt er nur einen dürftigen Umriss des Ereignisses mit geringer Beachtung der örtlichen Verhältnisse, ja selbst mit Auslassung der wichtigsten historischen Namen.1 Demnächst ergeben sich zahlreiche scheinbare Abweichungen als blosse Fehler flüchtiger Auffassung. Dahin gehört, wenn er z. B. aus C. 48 einen Einfall in das Gebiet von Allenstein zu einem Einfalle in Preussen verallgemeinert, und wenn darauf der Uebersetzer den Ausdruck totam terram (nämlich das Gebiet von Alienstein) gebraucht, universam Prussiam hinsetzt, oder wenn er da, wo im Original (C. 85) der Ordensmarschall mit 4 Komthuren auszieht, die Worte: consurgunt omnes Commendatores gebraucht, oder aus multis preceptoribus (C. 99): omnes commendatores macht, oder wenn er den Schluss der Erzählung C 56, wo das Heer auf dem Rückwege aus Samaiten über die Memel setzt und längs dem [südlichen] Ufer derselben in die Heimath zurückkehrt, in einen Angriff »in Lithuanos trans fluvium Nyemen habitantes« umwandelt. In andern Fällen hat er um dem Ausdruck rhetorische Fülle zu geben, nichtssagende Zusätze gemacht,2 oder um einer Uebergangs-Phrase willen Ereignisse, die gar nicht zusammengehören, mit einander verbunden, so die Ereignisse von C 59 und 60, obgleich das letztere früher als das erste stattfand, oder die in C 68 und 69. Dazu kommen offenbare Unrichtigkeiten, die aus mangelhafter Kenntniss der Sache entspringen. Aus den Komthuren von Balga und Christburg (C. 154) macht er einen Commendator Balga de Cristborg. Dass die Nerge bei Wigand den Fluss Wilia bedeutet, ist ihm unbekannt, er übersetzt sie daher einmal (C. 62) mit Niemen und ein andres Mal (C. 100) mit Narew; der Ort Stramel (bei Rügenwalde in Pommern) wird, weil bald darauf von einem Zuge nach Grodno die Rede ist (C. 155), nach Littauen verlegt, aus Poloczk an der Düna (C. 101) ein oppidum Prutenicum Pacow, und gar aus Neuer-Mühlen (novum Molendinum C. 32) bei Riga die Neumark in Brandenburg gemacht. Eben diese Flüchtigkeit führt zuweilen zu einer vollständigen Entstellung der Thatsachen bis ins Unkenntliche. Die erwähnte Verwechselung des Liefländischen Ortes Neuer-Mühlen mit der Neumark bestimmt ihn den Hochmeister Ludolf König im Jahre 1342 (IX. 1065) darüber in Tiefsinn verfallen zu lassen, weil während seines Einfalles in die brandenburgische Neumark die Littauer Preussen verwüsten, worauf er jedoch 1343, wo er den Bericht aus dem Chronicon Olivense benutzt, jenen Hochmeister wiederum darüber tiefsinnig macht (IX. 1071), weil während seines Zuges nach Littauen die Littauer
1) Man vgl. z. B. Wig. C. 40 mit Dług. IX. 1079; C 44 mit IX. 1097; C. 71 mil IX. 1154;
C. 72 mit IX. 1155; C. 80 mit IX. 1168; C. 86 u. 87 mit X. 26 u. s. w.
2) Man vgl. z. B. Wig. C. 45 mit Dł. IX. 1098; C 55 mit IX. 1134; C 84 mit X. 20;
C 134 mit X. 20.
Preussen und Liesland verheeren. Er erzählt die Schlacht an der Strebe zweimal, einmal unter dem Jahre 1346 nach Wigand C. 38 (IX. 1079), wobei selbst der Name des Schlachtortes unerwähnt bleibt, und mit gleicher Oberflächlichkeit im Jahre 1349 (IX. 1090) nach dem Chronicon Olivense (I. 724), ohne zu merken, dass das letztere die Quelle Wigands ist. Am Schlimmsten ergeht es den Berichten Wigands, wenn es sich um Dinge handelt, an denen Długosz's nationale Eitelkeit betheiligt ist. Zwar giebt ihm Wigand selten dazu Anlass, da der polnische Chronist in den Abschnitten des 14. Jahrh., die von Polen handeln, namentlich in den Zeiten von 1308 bis 1343 die bedeutendern Quellen, die ihm in Urkunden, in den Zeugenverhören von 1339 und 1421 und in den alten polnischen Annalen dafür zu Gebote standen, sich für seine Zwecke zurechtlegte; jedoch bei dem Berichte über die Belagerung Wilnas durch den D. O. im Jahre 1390 (Wig. C. 150), bei der Wigand auch der Polen gedenkt, fand er Gelegenheit auch an diesem Schriftsteller sein Talent, fremde Nachrichten seinen Zwecken dienstbar zu machen, auf eine glänzende Weise an den Tag zu legen. Es werden zunächst zwei von Wigand unmittelbar nach einander erzählte Littauer-Reisen (C. 150 und 151), deren eine in den August 1390, und die andre in den August 1391 fällt, was freilich Wigand nicht bemerkt, zu einer einzigen umgeformt, und diese Reise, zu deren Führer Długosz gegen das Zeugniss Wigand's und Johanns von Posilge den erst seit Mitte 1390 regierenden Hochmeister Conrad v. Wallenrod macht, in das Jahr 1389 zurückverlegt. Mit gleicher Unbefangenheit werden die vornehmen Gäste der Jahre 1390 und 1391, Herzog Heinrich von Lancaster und Markgraf Friedrich von Meissen, als Theilnehmer desselben Zuges dargestellt. Für die Verherrlichung der Polen, welche Wilna vertheidigen, genügen ihm jedoch weder der Inhalt jener beiden Abschnitte, noch die in den polnischen Processakten vom Jahre 1415 niedergelegten Zeugnisse; er erborgt sich daher mehrere zweckdienliche Thatsachen aus Wigands Schilderung einer Belagerung Wilna's im Jahre 1394 (C. 163). Hier wird unter Anderm erzählt, dass die französischen Ritter im Ordensheere die Polen, welche auf Seiten der Heiden kämpften, zum Zweikampfe herausfordern wollten, der Hochmeister aber ihnen dies untersagt habe, wobei der Ordens- Marschall den Franzosen erklärte, es könne Niemand zur Ehre gereichen mit Leuten zu kämpfen, welche Feinde des christlichen Glaubens seien. Długosz weiss dagegen, dass die Polen 1389 die Herausforderung der Franzosen annahmen und zwar in der Weise, dass je vier Ritter aus beiden Nationen in Prag am Hofe König Wenzels an einem bestimmten Tage mit einander kämpfen sollten. Er nennt die vier Polen bei Namen, die Franzosen aber nicht; die acht Ritter stehen auch schon im Thiergarten in Prag kampfbereit einander gegenüber; da gelingt es dem Herzoge Johann von Luxemburg und dem Markgrafen Jodocus von Mähren die Tapfern mit einander auszusöhnen, worauf diese als Freunde neben einander an der Tafel König Wenzels schmausen. Eine so leichtfertige Behandlung des historischen Stoffes kann wohl nur das gerechteste Misstrauen auch gegen diejenigen Abweichungen und Zusätze Długosz's erwecken, bei welchen so bestimmte Verdachtsgründe nicht vorliegen; es war daher nur an sehr wenigen Stellen möglich, aus denselben einen reellen Nutzen für die Wiederherstellung der Chronik Wigands zu ziehen.1
1) Vgl. unten Wig. C. 43, 53, 54, 61, 73, 90, 97, 99 und 103. Script, r. F. II.
2. Bornbachs Auszug. Erst vor etwa zwei Jahren gelangten wir in den Besitz einer Papierhandschrift in Quart von 54 Seiten, ohne Titel, deren 42 erste Seiten eine annalistisch geordnete Uebersicht der preussischen Geschichte von 1290 bis 1394 enthalten, welche, wie die aus zahllosen Arbeiten dieser Art bekannte Handschrift beweist, von dem (1597 27. März verstorbenen) danziger Geschichtsschreiber Stenzel Bornbach1 abgefasst und nichts anderes als ein, nicht etwa nach der lateinischen Uebersetzung,2 sondern unmittelbar nach dem Originale, welches Bornbach nach einer in einem andern seiner Werke gemachten Bemerkung3 genau kannte, angefertigter Auszug der Wigandischen Reimchronik ist. Auch diese Arbeit ist sehr mangelhaft und bestätigt nur die auch an andern Arbeiten Bornbachs gemachte Wahrnehmung, dass er bei allem Fleisse im Abschreiben, Zusammentragen und Compiliren historischen Stoffes zur selbstständigen Benutzung desselben sehr wenig befähigt war. Auch bei Wigand wendete er der offenkundig schwächsten Seite der Reimchronik, ihren chronologischen Notizen, vorzugsweise seine Aufmerksamkeit zu und nimmt an ihren auffälligsten Irrthümern keinen Anstoss, wie er denn z. B. gläubig berichtet, dass Carl von Trier 1293 Hochmeister geworden und Kaiser Heinrich VII. (nach Wig. C. 2.) 1319 vergiftet worden sei. Ebendiese vorherrschende Rücksicht auf die Chronologie bestimmt ihn andererseits, die werthvollen Detailschilderungen der Reimchronik ganz unbeachtet zu lassen und nur einzelne Momente ohne strenge Auswahl aus den längern Berichten in kurzen dürren Umrissen herauszuheben. Dazu kommt, dass Bornbach trotz der zahllosen Urkunden, die er gelesen und abgeschrieben hatte, in der Sprache der Chronik sich nicht zurechtzufinden wusste und in der Entzifferung der Namen so wie in der Auffassung des Sinnes (z. B. in Cap. 97 oder am Schluss von Cap. 10) arge Irrthümer sich zu Schulden kommen lässt. Nicht minder schwächt es den Werth seiner Arbeit, dass er sichtlich an einzelnen Stellen zu den Berichten Wigands Notizen aus spätern Chroniken hinzugefügt4, ja einige wenige Male eigenmächtig den Bericht Wigands nach andern Quellen geändert5 hat. Trotz dieser Mängel leistet dieses Excerpt dennoch schätzbare Dienste theils für die Ermittelung des Verhältnisses der lateinischen Uebersetzung zum Originale, theils zur Texteskritik ebenjener Uebersetzung, theils aber auch, wiewohl nur selten, zur Ergänzung einzelner in der Uebersetzung lückenhaft erzählter That- sachen. Bemerkenswerth ist endlich, dass Bornbach die letzten Abschnitte der Reimchronik vom Begierungsantritte Conrad's von Jungirigen (C. 159) ab nicht gekannt zu haben scheint, da er ausdrücklich bemerkt, dass sie mit 1393 abgeschlossen
1) Vgl. Hirsch u. Vossberg Caspar Weinreichs Danziger Chronik. Danzig 1855. p. XXVI
und meine Handelsgeschichte Danzig's. Leipzig 1858. S. 71.
2) Das erkennt man schon an den häufigen kleinen Zusätzen in Namen und Thatsachen,
die in der Uebersetzung nicht stehen, z. B. C. 2 die Fahne der Holländer, C. 7 die Eroberung
von Plock, C. 8 die Erwähnung Memel's, wo der Uebersetzer nur von einem Castrum spricht.
3) Vgl. unten III.
4) Es sind folgende: zu 1329 die Gefangennahme Gedimins und dessen Tod im Kerker,
wohl eine Verwechselung mit den Schicksalen Kynstuts; zu 1367 der Raub des Schatzes in
Marienburg; zu 1380 die Ankunft der Karthäuser in Preussen; zu 1381 der Tod Algards; zu
1382 der Bau der Klöster von Conitz und Heiligenbeil; zu 1394 die Characterschilderung
Conrads v. Jungingen.
5) So füllt er z. B. die Jahre 1295 und 1309 mit Notizen, die seiner eigenen Chronik (Danziger
Archiv-Bibliothek fol. L. I. 22) wörtlich entlehnt sind. Ueber Conrad von Wallenrod (zu
C. 157) wird das Urtheil der preussischen Stadtchroniken hinzugesetzt und über Conrad von
Jungingen im Sinne der älteren Hochmeisterchronik berichtet. Auch das wunderliche Urtheil
über Werner von Orseln (zu C. 16) kann schwerlich aus Wigand genommen sein.
habe, und die in seinem Auszüge dem Jahre 1394 beigefügte Notiz
erweislich aus einer andern Quelle entlehnt ist.
3. Caspar Schütz. Schütz ist der erste preussische Geschichtsschreiber,
der an seine Gewährsmänner einen kritischen Maassstab anlegte, der ferner,
von den ärmlichen preussischen Chronisten des 16. Jahrhunderts angewidert,
vorzugsweise theils die Geschichtsschreiber der Nachbarländer zu Rathe zog,
theils auf die älteren preussischen Quellen zurückging. Dabei zeigt sich jedoch
eine Kritik noch auf der Stufe der Kindheit, insofern er sich weniger um die
Ursprünglichkeit und Gleichzeitigkeit seiner Quelle, als um ihren Parteistandpunkt
kümmert, und dabei in seinem Urtheile sich stark von den diplomatischen
Rücksichten der Stadt, welcher er diente, leiten liess. Seiner Geschichte
des 14. Jahrhunderts von der Zeit ab, wo Dusburg und Jeroschin aufhören, hat
er hauptsächlich die polnischen Geschichtsschreiber, und zwar nicht Długosz
selbst (obgleich er ihn Bl. 2. nennt), wohl aber die von Długosz ganz abhängigen
Chroniken des Matthias Mechovita und Martin Cromer aus dem 16. Jahrh.
zu Grunde gelegt, und sie nur zeitweise ganz, und theilweise an solchen Stellen,
wo ihre Mittheilungen ihm zu dürftig erschienen, zur Seite gelassen, um
der voller fliessenden Quelle unserer Reimchronik sich anzuschliessen. In dieses
Verhältniss Schützens zu seinen Quellen gewinnt man einen interessanten Einblick,
wenn man zu den gedruckten Ausgaben seines Werkes die Bemerkungen
und Aenderungen in Betracht zieht, welche sich in seinem im danziger Archive
(Bibl. fol. N. n. 5—13) in 9 Bänden niedergelegten Autographon, dem Brouillon
seiner Arbeit, vorfinden. Man erkennt deutlich, wie eifrig er anfangs namentlich
für die Zeit von 1330 bis 1378 der preussischen Quelle nachging; er spottet
wohl am Rande des Buches über die polnischen Scribenten: »hic«, bemerkt
er zu den Ereignissen im Culmer Lande 1330 (Wig. 13) »Cromerus bellissimum
agit silentium«; doch greift er bald auch wieder nach ihnen, insbesondere,
wenn ihm die littauischen Namen in der Reimchronik fremdartig vorkommen,
wo er dann über die durchstrichenen Namen Wigands die seiner polnischen
Quellen überschreibt. Eine Zeit lang benutzt er Wigand vorherrschend und in
so eingehender Weise, dass in manchen Abschnitten der Bericht der Quelle
(z. B. C 13. 23. und 24.) nicht vollständiger gewesen sein kann. Zuletzt ermüden
ihn jedoch die vielen resultatlosen Reisen nach Littauen und er unterbricht
sie zum Jahre 1378 mit der durchaus richtigen Bemerkung: »Solcher
ausfelle vnd streiffereien seint auch ferners in den nechsten Jaren zu vnterschiedlichen
zeiten geschehen, welche alle nach der lenge zu beschreiben viel zu
lang vnd auch dorumb verdrieslich zu lesen vnd zu hören sein wolte, das fast
immer einerlei ding aufs new widderholet wurde. Derwegen es dieses ortes
bequemer, solch offt widderte Einfelle nurt kurtzlich zu vermelden, domitt
allein so viel do mehr richtikeit in den Jarzalen bleibe.« Darauf hat er noch bis
zum Jahre 1383 (Wig. C. 102) hie und da einzelne Notizen aus ihm entlehnt,
von 1383 ab aber ausschliesslich die polnischen Quellen benutzt. Dass letztere
gleichfalls ihre meisten Nachrichten derselben Reimchronik verdanken, kommt
ihm nie in den Sinn; vielmehr sieht er in unwesentlichen Abweichungen derselben
wesentliche Differenzen, z. B. wenn sie in der Schlacht an der Strebe
22000 Todte, Wigand aber (C. 38) 18000 zählt, welche Differenz ersichtlich nur
in einem Druckfehler bei den ersten (duo et viginti statt duodeviginti) ihren
Grund hat, und er bemüht sich, wo ihm solche Differenzen aufstossen, die Richtigkeit
der polnischen Ueberlieferung durch kühne Umdeutung der preussischen
Quelle zu retten. So rechtfertigt er namentlich die zweimalige Erwähnung der
Schlacht an der Strebe bei Długosz in den Jahren 1346 und 1349, wovon schon
oben die Rede war, damit, dass er auch im Wigand zwei demselben entsprechende
Ereignisse heraussucht, bei welchem künstlichen Verfahren der
littauische Fluss die Strebe sich gefallen lassen muss in die Nähe von Labiau
verlegt zu werden (vgl. unten C. 38). Noch auffallender erscheint diese Vorliebe
für die Polen, wenn er Angesichts der Mittheilungen Wigands an dem
Romane Długosz's von der Belagerung Wilnas im Jahre 1389 nicht den mindesten
Anstoss nimmt. Da jedoch Schütz für das 14. Jahrh. ausser einigen wenigen
Stücken aus Simon Grunau, die aber schon im Autographon als selbständige
Einlagen sich kund geben, nur diese zwei Quellen kennt, von denen die
polnische ihre Eigentümlichkeit nirgends verleugnet, und er im Uebrigen
sichtlich nur selten, etwa aus stylistischen Gründen bei Verknüpfung zweier
Ereignisse, von der Auffassung Wigands abweicht, so ist es hier nicht schwer,
die der Reimchronik entlehnten Theile als selbständige Abschnitte aus dem
Werke auszuscheiden.
4. Die lateinische Uebersetzung. Den Verfasser derselben lernt
man zunächst aus dem ganzen Sammelbande einer Papierhandschrift von Bl.
323 bis Bl. 503 von dem Schreiber paginirten Blättern, von dem diese Uebersetzung
nur einen kleinen Bestandtheil ausmacht, als einen Gelehrten und
Freund historischer Studien kennen. Während nämlich das erste Drittheil desselben
(Bl. 1—134) aus neun Abhandlungen1 über die Beziehungen der Astronomie
zur Theologie und Geschichte besteht, welche 1414—1417 abgefasst den
Cardinal Peter von Ailly zum Verfasser haben, und von einer ältern Hand geschrieben
sind, denen unser Uebersetzer theils rothe Ueberschriften, theils
kurze Angaben des Inhaltes neben und unter dem Texte hinzufügte, enthält das
zweite Drittheil (Bl. 134—303) von der Hand des letztern die Abschriften oder
Uebersetzungen von sechs andern Werken, zunächst zweier Abhandlungen desselben
Cardinals,2 sodann (Bl. 141—229) unter dem Titel Flores temporum,
der bis zum Anfange des 15. Jahrhunderts fortgesetzten Weltchronik des Martin
von Troppau; ihr folgt (Bl. 230—277) eine Uebersetzung der Chronik Jeroschin's
ins Lateinische (oben I. S. 11 und 302) unter dem Namen einer Cronica
vetus extracta e Cronica Cruciferorum ordinis teutonicorum prima per Nicol.
1) 1. De concordia Astronomie et Theologie (Bl. 1—21) edit, a D. Petro Ailliaco Cardinali
Camaracensi et in civitate Tullensi completus ultima Marcii 1414. 2. De conjunctionibus
Saturni et Jovis Bl. 22—26. 3. Anni revolucionum Saturni et Jovis Bl. 26—28. 4. de concordia
Astronomice veritatis et narracionis hystorie Bl. 28—64. Schluss: explicit traetatus . . .
ab eodem Dno Cameracenn editus Basilee 10 Madij anni 1414. Angeschlossen sind: 5. ohne
besonderen Titel 10 figürlich dargestellte Constellationen historischer Ereignisse und andere
astronomische Tafeln nebst deren Erklärung Bl. 64—76. 6. Elucidarius astronomice concordie
cum theologica et hystorica veritate Bl. 78—110. Schluss: editus per dictum dominum
Cameracensem Cardinalem et finitus Colonie Anno domi nostri ihessu xi 1414 die 24 mensis
Septembris. 7. Apologetica defensio de nativitate ihesu cristi. Bl. 110—115. Schluss: Explicit
apologetica deffensio edita a dno Cameracen Colonie anno xpi 1414 die 26 Seplembr.
8. Secunda apologetica defensio astronomice veritatis. Bl. 115—119. Schluss: Explicit
secunda . . . edita a domino Cameracen Colonie a. xpi. 1414 die vero tercia mensis Octobris.
9. De concordia discordancium astronomorum super significacionibus triplicitatum signorum
Zodiaci et applicationibus earum ad partes terre. Bl. 119—133. Schluss: Explicit tractatus ..
recollectus a domio Petro Cardinali Cameracensi finitus Constancie anno domi 1417o in vigilia
Epiphanie domini.
2) Von der in der vorigen Anmerkung unter num. 4. verzeichneten Schrift und einem
Anhange: Tractatus sequens est compendium materie predicte.
Jeroschyn, sodann (Bl. 277—278) die oben I. S. 806—808 mitgetheilte, wahrscheinlich
auch übersetzte Schrift: Terra Pomeranie quomodo subjecta est ordini
fratrum Theutonicorum und zuletzt unsre Chronik (Bl. 279—303) unter
dem Titel einer Cronica nova Prutenica. In dem letzten Drittheil hat derselbe
Uebersetzer eine Biographie: de sancto Stanislao abgeschrieben, deren Verfasser,
ein Dominicaner Vincentius, seine Arbeit im Auftrage des Bischofs
Prandotha von Krakau und seines Capitels um 1350 abfasste. Den Schluss bilden
auch von des Uebersetzers Hand alte polnische Annalen, die gleichfalls aus
der Diöcese Krakau hervorgegangen zu sein scheinen und vom Jahre 899 bis
zur Wahl des Bischofs Prandotha 1350 hinabreichen. (Vgl. oben I. 763. n. VIII).
In diesen Arbeiten finden sich nun auch hie und da Bemerkungen über die
persönlichen Verhältnisse des Uebersetzers. Bei Erwähnung des deutschen
Apostels Bonifacius (in den Flores temporum BI. 204 a) merkt er an, er sei
in dem Orte Geismar geboren, wo Bonifacius die Donnereiche niederhieb,
und knüpft daran eine wenig sich empfehlende etymologische Deutung des Namens
seines Geburtsortes.1 Ferner giebt er am Schlüsse seiner ersten Abschrift
(Bl. 149) die Notiz, er habe sie 1464 in einer sehr unruhigen Zeit angefertigt,
als noch die Bewohner Preussens und der König Kasimir mit den
Kreuzherren im elften Jahre Krieg führten, Seuchen und Ueberschwemmung
Schlesien und andere Länder heimsuchten und ein allgemeiner
Kreuzzug gegen die Türken stattfand;2 in demselben Jahre 1464 hat er nach
eigener Erklärung (Wig. C. 165) auch den Wigand übersetzt und die Weltchronik
abgeschrieben. Wenn er sich ferner an drei Orten als einen Peccator
bezeichnet, darunter einmal mit dem Zusatze negligens peccator (Bl. 277), einmal
sogar mit Andeutung der Anfangsbuchstaben seines Namens3 C. G. [etwa
Conradum oder Carolum Geismarensem?], so lässt dieser Ausdruck der Demuth
nach der Gewohnheit dieser Jahrhunderte auf einen Geistlichen schliessen.4
An zwei andern Stellen sagt er ferner aus, dass er die Uebersetzung der »alten«
und der »neuen« preussischen Chronik auf dringende Bitten des Dr. Johann
Długosz, dessen »Freund und besonders ergebener Diener« er sei, mit mancherlei
Abkürzungen angefertigt habe.5 Von Długosz's Hand wahrscheinlich
stammt dann auch eine Anzahl historischer Bemerkungen, welche jedenfalls
von einein polnischen Geistlichen des 15. Jahrhunderts an den Band beider
1) Hic Bonifacius in Geysmaria, unde ego ortussum, spiritum quendam de
quercu una expulit, cui nomen Mars, et in loco, ubi quercus stetit, capellam et altare edificat,
populum convertit; et nomen opidum a spiritu recepit, vulgariter dictum Geismaria
Teutonico, scilicet: geyst mars.
2) Transcriptus Thorn anno 1464, quo tempore adhuc durabant discordie inter cruciferos
et regem Kazimirum et terrigenas Prussie iam in anno xj dissidiorum; pestilentia quoque
gravis fuit eodem tempore hinc inde in quibusdam locis valde excedens, diluvium eciam . . .
fuit in Silesia et circa Mimila (?) etc.; et fuit passagium generale contra Thurcos etc.
3) Am Schluss der Flores temporum Bl. 229 setzt er zu dem Namen des Papstes Pius II.
die Worte: tempore ejus hec scripta sunt per C. G. peccatorem ao 1464.
4) So unterschreibt sich Abt Wilhelm von Metz peccator in einem Briefe an Papst Gregor
VII. (Mabillon Veterum analectorum T. I. p. 247) und an einen andern Abt (Ibid. p. 260);
in gleicher Weise Almannus Monachus Altivillarensis in einem Schreiben an den Praepositus
Catalaunensis. (Ibid. II. p. 86).
5) Vgl. Wig. C. 1. Am Schlusse der lateinischen Uebersetzung Jeroschins Bl. 277 b.
heisst es: Et sic est finis cronice terre Prussie de latino in teutonicum transsumpte et communiter
est accurtata et corrupta, denuo in latinum reducta per quendam peccatorem negligentem
deo laus; ad instanciam ejusdem venerabilis viri, cujus instantiis sequens cronica
per eundem est similiter in latinum transmutata taliter qualiter multaque in principio hujus
causa brevitatis sunt dimissa.
Chroniken geschrieben sind, und in welchen dem D. O. unter anderm Hass gegen den geistlichen Stand, ungerechte Beurtheilung des Herzogs Swantopolk und unrichtige Auffassung der eigenen Ansprüche auf Ostpommern vorgeworfen, einmal selbst auf die Vertheidigungsschrift des Sachwalters Paulus de Castro, der die Sache der Polen gegen den D. O. auf dem Concile zu Costnitz 1415 vertheidigte, hingewiesen wird.1 Alle diese Einzelnheiten machen es wahrscheinlich,
1) Die Randbemerkungen dieser Hand, von der unten eine Schriftprobe gegeben ist,
sind folgende: 1. f. 231. a. (zu Dusb. I. 5 Schenkung des Culmer Landes): Contrarium omnino
illius habetur in dotatione ecclesie Culmensis, ubi sub patentibus literis terra Culmensis donatur
Cristanno episcopo Culmensi et eius ecclesie; que donacio facta est anno domini 1222
in presencia multo plurium et maiorum testium, quam hic. Similiter terra media Lubavie
donata et ecclesie Culmensi a duce Kazimiro Lancicie et Cuyavie domino. Que donacio facta
est anno MCCLVII in die beate Eufemie in multorum presencia testium. Vide de hoc privilegia
ecclesie Culmensis, licet eciam extant litere domini Gregorii IX, qui confirmat donacionem
ducis Masovie, qua donavit eis castrum Culmen cum omnibus pertinenciis. Que litere
date sunt Anagnie anno pontificatus sui quarto. Et eciam litere sunt domini Innocencii
quarti, quibus investit magistrum Prusie anulo suo super terra Culmensi et omnibus terris,
quas in Prusia de manibus paganorum eriperent. Que sunt date Anagnie anno eius primo.
— 2. f. 234. a. (zu Dusb. III. 5. Begräbniss der Preussen): Istam abusionem cum aliis repperit
in eis iam conversis Jacobus archidyaconus Leodiensis, postea papa Urbanus IIII, de
quo infra mentio fit. Qui fuit legatus missus ad Prussiam anno 1249. 3. Ibid. (Kauf der
Frauen): De hac abusione similiter fit mentio in literis Jacobi legati, de quo supra.
4. f. 234. b. (zu Dusb. III. 8. Bau von Culm): De edificacione castri Culmensis etc. vide privilegium
dotationis ecclesie Culmensis, quia non apparet, quod ipsi edificarunt castrum predictum.
5. f. 237. a. (Dusb. III. 32. Swantopolk's Verrath): De isto Swantopolco non facile
est credere in tantam prolapsum perfidiam, qui fuit catolicus optimus, multa donavit ecclesiis,
monasteria instituit Olivam, Polplyn, Sernewitcz et Sucko; ergo melius est de hoc inquirendum.
6. Ibid. (Dusb. III. 33. Wilhelm v. Modena): Iste Wilhelmus divisit in Prusia ecclesias
et instituit ecclesias cathedrales tres precipue, Pomezaniensem, Warmiensem et Sambiensem,
et distinxit terminos earum cum dotationibus. Vide privilegia ecclesie Warmiensis.
De quibus ecclesiis et eorum possessionibus et libertatibus nulla fit in hac hystoria
mentio, quia parum ecclesiis favebant. — 7. f. 239. b. (Dusb. III. 45. Swantop. fällt in
Cujavien ein): Non est verisimile, quod Swantopolk sic invasit terram ducis Kazimiri christiani,
qui eius extitit consanguineus; ergo bene est de hoc videndum. — 8. f. 247. b.
(Dusb. III. 97. Burg Rössel verbrannt): De hiis duobus castris loquitur hic, scilicet Heylsbergk
et Resell, quum tarnen nunquam fuerint ordinis nec ab eis edificata, sed incepta per
dominum de Heylsbergk, episcopum Warmiensem, et per dominum Hinricum Zorbom, similiter
ibidem episcopum, consumata. — 9. f. 248. b. (Dusb. III. 110. Fischhausen belagert):
Fyschawscn conf . . tur episcopi Sambiensis castrum, nullibi facta mentione aliqua de aliis
ecclesiis aut earum possessionibus. — 10. Ibid. (Dusb. 111. 112. Bau von Lochstet): Lochstete
fertur fuisse domini episcopi Sambiensis. — 11. f. 242. (Dusb. III. 140. Braunsberg. Armuth
des Bischofs): Episcopus Warmiensis edificavit castrum et oppidum Braunsbergk. Ipsi crucifigeri
vellent omnes prebendas adeo tenues facere, ut omnem clerum haberent sub suo
jugo, ipsi vero de possessionibus ecclesiarum lascivirent. — 12. f. 259. b. (Dusb. III. 213.
Wartislaw's Schenkung): Non videtur verisimile, quod tres filii Swantopolci renunciatis
hereditatibus et terra fratribus darent jus terre illo tempore, cum longe protenus inveniuntur
litere emanate a ducibus Pomeranie Primislao Va et Wladislao in multa libertate data
civibus Elbingensibus de anno domini MCC 94 et 98. Videantur litere Elbingenses; et eciam
ante hoc diu in donacione monasterii Olive facta anno MCCXXXV; videantur litere Olivenses.
— 13. f. 260. a. (Dusb. III. 220. Behandlung der bekehrten Preussen): Contra istam
prosecutioni favorabilem videantur litere concordatarum domini Jacobi archidyaconi Leodiensis
legati in Prusiam missi, qui narrat neophitos gravi presso[s] a fratribus servitutis
jugo; et plura de hoc in suis sigillatis literis. — 14. f. 262. b. (Dusb. III. 236. Bruhavens
Keuschheits-Probe): Ista probatio castitatis non venit commendanda, quia cum periculi susceptione
et tentatione dei. Qui enim exponit se periculo peccati mortalis, dicitur mortaliter
peccare a doctoribus; juxta illud: »Qui amat periculum peribit in illo.« Eccl. IIIe. —
15. f. 264. b. (Dusb. III. 252. LM. Meinhard 1293): Hic videtur discrepare hec cronica cum
sequenti in ejus primordio, pro ut ibi signaturam vides. — 16. Ibid. (Dusb. III. 258. Zerstorung
von Wizna): Mirum, quomodo duces Mazovie, qui in antea christianos invitaverunt,
quum vexabantur a paganis Prutenis, hic narrantur christianos impugnare; ideoque melius
est inquirendum de hoc. — 17. f. 266. b. (Dusb. III. 275. Glottovie): Glottaw in episcopatu
Ezinensi (Uebers. hat Einensem; Dusb. Warmiensem) vastatur. — 18. f. 271. b. (Dusb. III.
310. Bau des Nonnenklosters in Thorn): Fecerunt edificare, sed male dotaverunt, quia
omnes spirituales volebant esse mendicos, se solos divites. — 19. Ibid. (Dusb. III. 314. Carl
v. Trier): Karolus de Threveri eligitur, de quo post in primordio alterius cronice vide magnam
diversitatem cronicarum presentium. — 20. f. 276. a. (Dusb. III. 360. Br. Friedrich
v. Liebenzell vollendet den Bau von Wartenberg): Iste frater Fredericus forte fuit advocatus
episcopi Warmiensis, alias in profectum ecclesie non tantum fecisset. — 21. f. 279. a. (Wig.
c. 2. 1293): Hic videtur cronica presens dissidere a superiori versis XIII foliis circa numeri
annorum domini signationem, prout patet conferenti ista ad illa et in magistro et in rebus
gestis. — 22. Ibid. (Kaiser Heinrichs VII. Vergiftung): De intoxicatione istius Hinrici per fratrem
predicatorem vide apud predicatores, qui habent de hoc bullam auream filii predicti
domini Hinrici, ubi purgat eos de hac noxa. Vide de hoc in fasciculo temporum. [Er meint:
Werner Rolewink, Karthäuser Priors in Westphalen, Fascic. temporum, gedruckt bei Pistorius
Rerum Germanic. Scriptt. T. II. b. f. 84 [I am not quite sure if the referrence is correct].] — 23. f. 279. b. (Wig. c. 7. König von Polen
fordert Pommern zurück): Rex postulavit terram Pomeranie etc., quod nunquam justo titulo
illam domini cruciferi possiderunt. Verum pro ista terra Pomeranie et forte Culmensi etc.
rex habuit pro se duas sententias delegatorum apostolicorum. Econtra magister et domini
pro se duo lauda sive arbitria, unum duorum regum scilicet Bohemie et Ungarie, aliud regum
Romanorum, que sumatim recitat Paulus de Castro in consiliis suis (vgl. unten Beilage III. B.)
consilio LXXII, ubi omnino concludit multis juribus allegatis pro rege contra fratres. —
24. f. 284. b. (Wig. c. 36): Rastenburgk Lunenburgk vastantur. — 25. f. 289. a. (Wig. c. 58):
Wartenbergk reedificatur. — 26. f. 297. a. (Wig. c. 116. Schluss): Jagel promittit se christianum fieri.
[image shown on the page between p.438 and p.439 is here omitted; consult google books. S.U.]
dass der Uebersetzer, ein Hesse aus Geismar, geistlichen Standes, der aus
dem Abschreiben vielleicht ein Gewerbe machte, im Dienste der wegen der
Friedensverhandlungen mit dem D. O. 1464 in Thorn verweilenden polnischen
Diplomaten, zu denen nachweislich auch Długosz1 gehörte, dem letztern bei
dessen mangelhafter Kenntniss der deutschen Sprache in seinen historischen
und politischen Studien mit der Uebersetzung zweier deutschen Ordenschroniken
zu Hülfe kam. Das Buch ist, wie es scheint, nie nach Polen gekommen,
sondern in Thorn liegen2 geblieben, hier aber bis zu seiner Wiederauffindung
nur von Wenigen gelesen worden.3
Was nun in dieser Uebersetzung des Wigand zunächst die äussern Schriftzeichen
betrifft, so ist die Handschrift wie bei den andern Arbeiten des Uebersetzers
nach Ausweis der beigelegten Schriftprobe eine regelmässige und
kunstmässig ausgeführte, jedoch durch sehr häufig gebrauchte Abbreviaturen
ihr Verständniss ersehwert, wobei der Leser, auch wenn er durch ein genaues
Studium des ganzen Sammelbandes das dabei befolgte System im grossen Ganzen
erkannt hat, in einzelnen Fällen wegen des Mangels an Consequenz unsicher
wird.4 Dazu steht diese Arbeit den übrigen Schriften des Uebersetzers
darin nach, dass häufig Wörter und Sätze halb oder ganz ausgestrichen sind,
in welchem Falle sie in der Regel mit einer rothen oder schwarzen Linie oder
Linien beider Farben durchstrichen, bisweilen aber auch nur mit rother Farbe
unterstrichen sind. Dieses Unterstreichen ist aber sehr häufig auch eine
Andeutung, dass das Unterstrichene vom Schreiber als Erklärung oder besondere
Bemerkung hinzugefügt ist; die verbesserten Worte stehen in der Regel
am Rande mit einer Signatur, folgen aber auch zuweilen erst durch andre
Worte unterbrochen mit einer solchen innerhalb des Textes. Sehr stark ist die
rothe Farbe in Anwendung gebracht; ausser bei den Correcturen und selbstständigen
1) Vgl. oben I. S. 665. not. 1.
2) Am Ende der Flores temporum »hat eine spätere Hand aber auch noch im 15. Jahrh.
zu den oben S. 437. not. 3 mitgetheilten Schlussworten des Abschreibers die Namen der
Päpste: Paulus 2us und Sixtus IIIItus und bei lelztenn noch die Bemerkung hinzugefügt:«
sub quo dominus Nicolaus Tungen intercepit episcopatum Warmiensem sine consensu regio.«
Und darunter eine andere gleichzeitige Hand: »sub quo multa mala in Prussia sunt subsequuta;
primo ille idem Tungen episcopus magisterque ordinis teut, irhtani cum toto suo ordine
in proteccionem regis Ungarie [se] subdiderunt, regem deinceps Polonie amplius dominum
eorum et protectorem minime recognoscentes.
3) Es finden sich in der Handschrift des 16. Jahrhunderts nur an wenigen Stellen Namen
von Hochmeistern an dem Rande von einer Hand beigeschrieben.
4) So bedeutet die Abbreviatur für sed (sz) bisweilen auch scilicet, und das in der Regel
für ein ausgelassenes a gebrauchte Zeichen fehlt stets in dem Worte peccator.
Zusätzen, namentlich Inhaltsangaben und Ueberschriften bedient sich
ihrer der Uebersetzer regelmässig zur Hervorhebung der schon schwarz gezeichneten
ersten Buchstaben am Anfange jedes Absatzes, dann aber auch ohne
ein ersichtliches Princip am Anfange vieler andern Wörter und endlich auch als
einer Art von Interpunctionszeichen zwischen den Wörtern, wobei jedoch mehr
der Zufall als Ueberlegung vorwaltet; ein besonderes rothes Zeichen deutet den
Anfang einer neuen Erzählung an. Hie und da ist die Schrift durch breite leergelassene
Räume unterbrochen, die der Uebersetzer sichtlich durch Ueberschriften
ausfüllen wollte. Diese Art der Ausfüllung hat auch am Anfange an
mehreren Orten stattgefunden, wiewohl nicht immer in glücklicher Weise, da
sie meistens nur auf den ersten nachfolgenden Satz Rücksicht nimmt. So folgt
z. B. auf die Ueberschrift »de eclipsi solis« (Wig. C. 14) ein Abschnitt, der
ausser der Sonnenfinsterniss von drei Kriegsreisen erzählt. Diese Ueberschriften
werden jedoch schon nach den ersten zwei Blättern immer seltener und
fehlen von Bl. 287 ab ganz und gar. Mit ebenso geringer Consoquenz hat der
Schreiber zuweilen mit der Andeutung: »nota« einzelne besonders wichtige
Ereignisse in kurzem Auszuge neben oder unter dem Texte angemerkt. Schon
in diesen Aeusserlichkeiten giebt sich überall eine gewisse Flüchtigkeit und
Nachlässigkeit zu erkennen.
Noch geringeres Vertrauen erweckt bei der ersten Bekanntschaft, die man
mit dem Werke macht, der Inhalt. Schon der Uebersetzer selbst erhebt gegen
seine Arbeit schwere Anklage. Nicht ohne Bezug auf seine literarischen Arbeiten
nennt er sich einen nachlässigen Sünder und in Betreff Wigands bezeugt er,
dass er gleich auf den ersten Anblick des Gedichtes sich an die Uebersetzung
gemacht und dieselbe binnen 22 Tagen vollendet habe (Wig. C. 165); er nennt
seine Sprache ein rohes Latein, spricht wiederholt von starker Abkürzung des
Originales, das ihm zu wortreich erschienen sei (Wig. C. 14), und entschuldigt
seine Mängel mit der unvollkommenen Beschaffenheit eben dieses Originales
und der »Seltenheit,« d. h. wohl dem für ihn schwierigen Verständniss der
darin gebrauchten Wörter. Diese seine Mängel treten allerdings auch überall zu
Tage, zunächst im Gebrauche der lateinischen Sprache. Die Arbeit strotzt von
groben grammatischen Fehlern in der Declination und Conjugation, so wie in
der Anwendung der Genusregeln, Fehlern, die um so mehr als Folgen der Eile
und Flüchtigkeit zu betrachten sind, da sie in seinen andern selbständigen Arbeiten
weit seltener vorkommen. Fast noch wunderlicher ist seine Satzbildung,
die sich zuweilen über alle Sprachvergehen kühn hinwegsetzt und in gewissen
Fehlern eine Art von Consequenz beobachtet, insofern nämlich mit besonderer
Vorliebe das regierende Verbum des Hauptsatzes durch das Participium ausgedrückt
oder, was allerdings seltener vorkommt, in der Form des Indicative oder
Conjunctive nicht in den Hauptsatz gebracht, sondern mit einem eigentümlichen
Anacoluthe in einen leicht angeknüpften Relativsatz geschoben wird.
(Eine Verbindung beider Fehler bietet z. B. der Satz Wig. C. 19: Magister Lyvoniensis
cum copia gravi viriliter paganos dictos Santkore, quos vastaverat
igne et cum rapina revertens.) Mit nicht geringerer Willkür erfindet sich
der Uebersetzer für seinen Zweck neue Ausdrücke, oder giebt vorhandenen
lateinischen Wörtern eine neue Bedeutung, oder er hilft sich mit den derbsten
Germanismen (deducere ad casum: zum Falle bringen, dare ad sortem: preisgeben,
cum salute: mit heiler Haut, cadere in vallem = nieder [ze tàle] fallen
u. s. w.). Endlich begeht er hie und da offenbare Uebersetzungsfehler,
wie denn z. B. C. 81 durch dieselben fast unverständlich geworden ist; namentlich
lässt der Uebersetzer, wenn auch nicht so häufig wie bei der Bearbeitung
des Jeroschin, die Neigung vorwalten, Wörter, die ihm nicht ganz geläufig
sind, in Eigennamen umzuwandeln. So übersetzt er z. B. C. 38 die deutschen
wahrscheinlich im Wigand undeutlich geschriebenen Worte: »zu einem presente«
(Fragm. V. 16): juxta Prestinte, und löst, C. 113 die Reime: ein grave
starke: . . von der Marke in Comes Starke de Marchia auf. Ueberhaupt haben
Wigands Eigennamen sich arge Verstümmelungen gefallen lassen müssen, so
wie auch von den falschen Zahlen, welche sein Buch enthält, ohne Zweifel
ein guter Theil dem Uebersetzer zuzuschreiben ist. Hat man jedoch mit der Handschrift
sich vertraut gemacht, durch öftere Leetüre das verletzte Sprachgefühl
gegen seine Fehler etwas abgestumpft und von vorn herein darauf verzichtet,
in seinen Mittheilungen überall klares Verständniss des Einzelnen gewinnen zu
wollen, so überzeugt man sich bald, namentlich aus einer Vergleichung der
Uebersetzung mit den Fragmenten des Originales, dass der Hessische Geistliche
seine Aufgabe trotz der Eile noch ziemlich geschickt gelöst, dass er den Inhalt
der Chronik im Ganzen richtig, jedenfalls richtiger als Bornbach aufgefasst und
nicht ohne Talent die ausführlichen Schilderungen Wigands bei aller Kürze mit
einer gewissen Lebendigkeit und Anschaulichkeit in die fremde Sprache übertragen
hat. Vor allem verdanken wir dem Werke eine vollständige Uebersicht
und den wesentlichen Inhalt der Reimchronik. Dass er nicht überall den im
Original mitgetheilten historischen Stoff in seine Uebersetzung aufgenommen
hat, ergiebt sich daraus, dass theils Schütz hie und da Ausführlicheres darbietet,
theils er selbst gemachte Auslassungen nicht bloss »überflüssiger« und
»müssiger« Reden, sondern auch einzelner Namen und Thatsachen ausdrücklich,
insbesondere durch das hie und da angewandte: »etc.« andeutet. Doch scheint
dadurch am Stofflichen nicht viel verloren gegangen zu sein. Wenigstens sieht
man in Betreff sämmtlicher Fragmente des Originales, dass er in diesen Stücken
nichts ausgelassen hat.
5. Die Fragmente der Reimchronik. Es sind ihrer bis jetzt neun
bekannt geworden:
I. Dasselbe ist am Ende der dreissiger Jahre dieses Jahrhunderts vom Vicedirektor
des königl. Würtembergischen Haus- und Staats-Archives E. v. Kausler
auf zwei Pergamentblättern in klein Quarto, welche den Umschlag eines
eingestochenen Papierheftes in klein Folio von untergeordnetem Inhalte bildeten,
entdeckt, und abschriftlich der Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde
der Russischen Ostseeprovinzen mitgetheilt worden, welche es in den
Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv- Est- und Kurlands T. III
(Riga 1845) S. 129—133 veröffentlichte, während das Original nach einer Mittheilung
des Entdeckers (d. d. Stuttgart 15. Juni 1861) jetzt nicht mehr im
königl. Würtembergischen Staatsarchiv aufzufinden, sondern wahrscheinlich
mit einer grossen Anzahl anderer D. O. Archivalien an das D. O. Archiv in Wien
übergegangen ist. Die Schrift, dein Anfange des 15. Jahrh. zugehörig, stand in
der Mitte des Blattes zwischen 4 mit Tinte gezogenen Randlinien; die Ränder
waren gegen 2 Finger breit; abwechselnd war bald der innere bald der äussere
Rand etwas schmäler; der obere Rand, nur schwach fingerbreit, schien abgeschnitten
zu sein; für die Anfangsbuchstaben war eine ganz schmale Columne
gezogen. Jede Seite zählte 31 Zeilen zwischen Linien; jeder nächste Vers, nachdem
einer in der Columne begonnen hat, ist eingerückt und beginnt hinter der
schmalen Columne. Die Handschrift scheint eine recht flüchtige gewesen zu
sein. Wir erhalten in diesem Fragmente 124 Verse der Urschrift aus einem Abschnitte
des Krieges mit Polen im Jahre 1330, die einem Theile von C. 11 der
Uebersetzung entsprechen, und für die Feststellung der Bedeutung derselben
namentlich in einem Satze von grossem Werthe sind.
II. Zehn Verse von Schütz (Ed. 1592 Bl. 74. b.; Ed. 1599 Bl. 66. a.) mitgetheilt,
entsprechen einer Zeile in C. 17 der Uebersetzung.
III. Sechs Verse, die den friedlichen Sinn des polnischen Prinzen Casimir
(in C. 18) schildern, von Schütz (Ed. 1592 Bl. 76. a.; Ed. 1599 Bl. 67. a.)
überliefert.
IV. und V. Zwei Fragmente von je siebzehn Versen, die durch eine kleine
Lücke unterbrochen sind, der Schilderung der Schlacht an der Strebe 1348
2. Febr. angehören und mit den betreffenden Stellen in C. 38 der Uebersetzung
übereinstimmen. Beide Fragmente sind von Dr. Eduard Krömecke, z. Z. in
Herstell an der Weser, entdeckt, zuerst im Anzeiger für Kunde der deutschen
Vorzeit (1858 Nro. 10. S. 335—36) veröffentlicht und nach dieser Mittheilung
in den NPPBlättern Jahrg. 1858. II. S. 357 abgedruckt worden, wo der Berichterstatter
sie mit Recht als Wigandische Verse bezeichnete. Das von einem
werthlosen Buche abgelöste Pergamentstück (in der Sammlung des Dr. Krömecke
mit K. a. 12. bezeichnet), auf dem die Verse sich befinden, ist 4 Zoll hoch,
6 1/2 Zoll breit; von einem zweiten Blatte, auf welchem das Gedicht sich fortsetzt,
ist nur ein schmaler Streifen von 1 1/2 Zoll Breite erhalten; der untere
Theil des Blattes ist abgeschnitten, so dass auf jeder Seite etwa 8 bis 10 Verse
fehlen. Eine Vergleichung des Fragmentes, das der Entdecker die Gefälligkeit
hatte uns zur Einsicht mitzutheilen, mit dem der Beschreibung nach bekannten
Stuttgarter giebt das Resultat, dass beide zwar je einer Handschrift in Quarto,
keineswegs aber einer und derselben angehörten.
VI. Sechszehn Versanfänge, Ueberbleibsel der dritten Seite des eben beschriebenen
Pergamentstreifens des Dr. Krömecke, entsprechen einigen Worten
des C. 43 der Uebersetzung.
VII. Elf Verse aus Wigands Beschreibung der Belagerung von Kowno 1362
(Wig. C. 54), von Schütz (Ed. 1592 Bl. 86. a.; Ed. 1599 Bl. 76. b.) überliefert.
VIII. Neun und funfzig Verse aus demselben Abschnitte, von Schütz (Ed.
1592 Bl. 86. b. ff.; Ed. 1599 Bl. 77. a. ff.) mitgetheilt.
IX. Vier und zwanzig Verse aus einer Charakterschilderung des Hochmeisters
Winrich von Kniprode, bei Schütz (Ed. 1592 Bl. 93. a.; Ed. 1599 Bl. 83. a.)
entsprechen einem Abschnitte des C. 127 der lateinischen Uebersetzung.
Es sind somit nur 267 Verse, welche uns von einem Reimwerke übrig sind,
das, wenn man den Umfang der jenen übrig gebliebenen Versen entsprechenden
Stücke der Uebersetzung zum Maasstabe nimmt, mindestens 25000 Verse
enthalten haben muss; doch auch diese wenigen Trümmer sind von nicht geringer
Bedeutung, wenn es gilt über den Grad der Zuverlässigkeit der lateinischen
Uebersetzung und der andern Bearbeitungen, oder gar über den Charakter
des Originalwerkes und seines Verfassers ein Urtheil zu gewinnen.
1) Das Verhältniss der Abhängigkeit, in welchem die Annales Thorunenses, Johann
v. Posilge, Detmar, Corner und andere Hanseatische Chroniken zu einander stehen, wird im
3. Bande näher erörtert worden.
2) So C. 55 und 59, C. 62 und 63, C. 64 und 70 a, C. 66 und 68, C. 85 und 89, C. 87
und 93, C. 97 und 99, C 98 a und 104, C. 100 a und 105, C. 100 b und 102, C. 110 a und
111 a. C. 113 und 121, C. 117 und 122, C. 136 und 140.
3) Vgl. C. 123, 126 und 128.
4) Die wenigen Jahre, welche Wigand auf seine Arbeit verwandte, und die geringe
Kenntniss der Preussischen Verhältnisse, die er an den Tag legt, machen es wenig wahrscheinlich,
dass er sich diese schwierigen Quellen selbst in der mangelhaften Weise, in der
er es zu Stande brachte, allein für seinen Zweck zurecht gelegt habe, und bringen die Vermuthung
nahe, dass er bereits eine nach solchen Quellen bearbeitete Geschichte Preussens
vor Augen hatte. Doch fehlt es zu sehr an sicheren Anhaltspunkten, als dass man hoffen
könnte, dieser Vemuthung nachgehend zu einem erspriesslichen Resultate gelangen zu
können.
deren er sich bediente, gar nicht geordnete Geschichtsbücher, sondern Papiere
derjenigen Art waren, wie sie uns noch jetzt in der Sammlung der littauischen
Wegeberichte (Beilage I.) vorliegen, einzelne militairische Meldungen des Ordensmarschalls
oder der Gebietiger in den Grenzdistrikten, etwa in Balgza, Insterburg,
Bagnit u. s. w. an den Hochmeister nach Marienbnrg, über ein Ereigniss,
an deren Schlusse der Meldende, wie wir es noch jetzt in jenen litauischen
Wegeberichten kennen lernen, in der Regel, aber auch nicht immer, das
Tagesdatum, selten das Jahresdatum anmerkte.
Man hat aber Grund vorauszusetzen, dass Wigand Quellen solcher Art mit
Vorliebe aufsuchte; denn sie entsprachen dem Zwecke, den er offenkundig in
seiner Chronik verfolgte. Ueber die Veranlassung zu dieser Arbeit und ihren
Zweck giebt er am Anfange seines Buches eine Erklärung, die nur dadurch an
Dunkelheit leidet, dass die mangelhafte Uebersetzung es dem Leser überlassen
hat, sich selbst den Schluss derselben zu ergänzen. Er habe, sagt Wigand, als
er um das Jahr 1393 mit dem Hochmeister Conrad v. Wallenrod in Danzig gewesen
sei, daselbst ein Buch gefunden, welches von dem Ursprünge und
Wachsthume des D. O., von den zu dessen Gunsten unternommenen Kreuzfahrten
und den Gunstbezeigungen, die Papst und Kaiser ihm gespendet hätten,
gehandelt habe, zugleich aber auch von don Siegen des Ordens seit hundert
Jahren, in Folge deren unter den Heiden in Preussen und Livland, trotz ihrer
häufigen Abtrünnigkeit zuletzt der katholische Glaube fest gegründet worden
sei. Darauf beginnt er dann seine Chronik mit einem Ereigniss, das nach
seiner Meinung 1293 stattgefunden hat, und endet mit dem Jahre 1393. Man hat
bisher unter jenem Buche die Chronik Dusburg's verstanden, und indem man
in der Einleitung die Andeutung fand, dass Wigand sich die Fortsetzung jenes
Buches zur Aufgabe gestellt habe, nach dem Vorgange Bornbachs und Schützens
Wigand einen Fortsetzer Dusburg's genannt. Allein diese Bezugnahme auf Dusburg
hat nicht die mindeste Berechtigung, einmal weil, wie oben gezeigt ist, in
Wigands Arbeit völlige Unbekanntschaft mit Dusburg zu Tage tritt, sodann aber,
weil auch die Beschreibung des Buches nur in ganz gezwungener Weise auf
Dusburgs Chronik eine Anwendung findet. Dusburg beschreibt nicht die Ordenskämpfe
seit 100 Jahren, sondern seit 140 Jahren und endet nicht mit der
Befestigung des katholischen Glaubens in dem Ordenslande, sondern erklärt
schon mit dem Jahre 1283 (III. C. 221) diese Glaubenskriege in Preussen für
abgeschlossen, um das ganze letzte Drittel seines Werkes den Littauerkriegen
zu widmen. Wie konnte endlich Wigand mit Bewusstsein ein Fortsetzer Dusburgs
sein wollen, wenn seine Berichte für einen Zeitraum von 30 Jahren mit
Dusburg gleichlaufen? Dagegen passt die von Wigand gegebene Beschreibung
vollständig auf die nachmals zum Chronicon Olivense erweiterte alle Preussische
Chronik, die ich oben (B. I. S. 675—685) auf ihre ursprünglichen
Theile zurückgeführt habe. Jene Chronik begann mit dem Jahre 1190 und ihre
Schlussworte führten bis auf die Zeiten Herzog Mestwi's II. von Pommerellen
hinab, der 1294 oder 1295 gestorben ist (I. S. 694. not. 59). Was als Inhalt
jenes Buches angedeutet wird, folgt ganz und gar dem Gange der Erzählung in
jenem alten Berichte, so dass Wigand am längsten beim Anfange derselben verweilt
und mit der von dem alten Berichte am Schlusse zweimal (I. S. 684 und
S. 686) gegebenen Erklärung schliesst, dass die »fides catholica« nach Unterdrückung
der letzten Empörungen in ganz Preussen festbegründet sei.
Der Uebergang Wigands von dieser Einleitung zu seiner Chronik bestand dann
unzweifelhaft in der Bemerkung, dass das Vorbild dieser alten hundert Jahre
der Ordensgeschichte umfassenden Chronik auch ihn bestimmt habe, die nächstfolgenden
hundert Jahre der Ordenskämpfe zu besingen. Es lag nahe, dass
er, indem er jene alte Chronik fortsetzte, die bereits vorhandene lateinische
Fortsetzung derselben, welche damals, wie man aus Wigands Bemerkungen
schliessen muss, die jetzt in so unnatürlicher Weise (I. S. 655) eingefügte Geschichte
von Ostpommern noch nicht als unmittelbaren Bestandteil enthielt, zur
Grundlage seiner Darstellung machte.
Diesen Plan, hundert Jahre der Ordenskriege darzustellen, hat Wigand
denn auch in seinem Werke ganz unabhängig von dem Vorbilde Dusburgs
durchgeführt. Zwar ist seine Chronik der des letzteren darin ähnlich, dass sie
fast ausschliesslich Kriegsgeschichte ist. Es ist bemerkenswerth, dass das
grosse Werk ausser denselben nur noch kurze Meldungen über den Tod und die
Wahl von Hochmeistern, einige fremdländische Notizen aus dem Chronicon Olivense,
eine Mittheilung über eine Sonnenfinsterniss, zwei Berichte über die
Einführung neuer Kirchenfeste (C. 27. und 96), zwei Berichte über den Empfang
kostbarer Reliquien (C. 85 und 108), zwei über Klosterbauten (C. 58 und 78),
einen Besuch Kasimirs in Marienburg (C. 67) und Lobreden auf die Hochmeister
Luther v. Braunschweig (C. 20), Conrad v. Wallenrod (C. 157) und Winrich v.
Kniprode (C. 127) enthält, von welchen die beiden ersten Fürsten wegen ihrer
frommen Werke gepriesen werden, Winrich aber als das Ideal eines Helden
dargestellt (C. 42 und 127) wird, der aus besonderer göttlicher Gnade der Welt
gegeben sei, dessen friedliche Tugenden der Dichter allerdings anerkennt, dessen
Verdienste er aber hauptsächlich in seinen Kriegsreisen und den damit verbundenen
Werken der Frömmigkeit sucht. Wenn aber Dusburg solche Kriege
von dem Standpunkte eines von den hierarchischen Interessen seiner Zeit durch
und durch erfüllten Geistlichen und eines nicht minder für die heilige Mission
seiner Genossen begeisterten Ordensritters betrachtete, so sind bei Wigand von
religiösen und politischen Tendenzen nur geringe Spuren zu finden. Von Wundern
oder Acten der Büssung und Selbstpeinigung, die bei Dusburg keine so
wichtige Rolle spielen, weiss Wigand nichts, und von frommen Betrachtungen
kommt wohl hie und da ein Gebet für die Seele eines im Kampfe gefallenen
Ritters (C. 75, 89, 92, 147. u. a.), oder die Anerkennung, dass sie für das zeitliche
das ewige Leben erkauft habe (C. 75), vor, wie er denn auch einmal Weh
und Verdammniss über die Ungläubigen ruft (C. 123); aber alle diese Betrachtungen
erscheinen als absichtslos hingeworfene herkömmliche Redeweisen
ebenso äusserlicher Art, wie die Frömmigkeit der Helden in der Chronik ausschliesslich
nach äusserlichen Acten der Werkheiligkeit, etwa erbauten Kirchen
und Klöstern, Verehrung der Reliquien oder Kämpfen für die Ausbreitung
des Glaubens (C. 95) abgemessen wird. In noch grösserm Maasse vermisst man
bei Wigand Dusburgs tendenziöse Parteinahme für den Orden. Was ihn sichtlich
mit einer gewissen Vorliebe für denselben erfüllt, das sind nicht dessen
politische oder religiöse1 Zwecke, sondern die Kriegsreisen, die hier mit ungeschwächter
Lust zur »Uebung der Ritterschaft« Jahr aus Jahr ein fortgesetzt
werden, so dass man traurig daheimsitzt, wenn Regenwetter die Ausfahrt der
Helden verhindert (C. 129); aber mit nicht viel geringerm Interesse stellt er
auch die tapfern Thaten der Heiden dar; mit sichtlichem Wohlgefallen berichtet
er über einen dem Kynstut wohlgelungenen Ueberfall auf die Bosse des Ordensheeres
(C. 69), ja er hat an einer Stelle, wo er von »Feinden Christi«
spricht, der Grossmuth Kynstuts gegen Christen Worte des Lobes gespendet
(C. 106). Dagegen wendet er ganz abweichend von Dusburg den Einzelnheiten
in den Kriegsereignissen vorherrschend sein Interesse zu.
Während ihm die politischen Zwecke, die Ursachen und Wirkungen der Kämpfe
durchaus gleichgültig erscheinen, gefällt er sich in der ausführlichen Beschreibung
der Schlachten und Belagerungen, der dabei angewandten Kriegsmittel,
der Einzelkämpfe, der Zahl und Farbe der Kriegsfahnen und der um das Recht,
die S. Georgsfahne zu tragen vorgefallenen Streitigkeiten; nicht minder berichtet
er mit sichtlicher Theilnahme über das Ceremoniell dieser Ritterkämpfe, die
Turniere, Austheilungen des Ritterschlages, die Ehrentische und die zur Verherrlichung
der Siege gefeierten kirchlichen Festen; ja er ermüdet nicht
alle die einförmigen und resultatlosen kleinen Streifzüge in die Wildniss oder in
das feindliche Gebiet aufzuzählen, die sich von Räuberthaten wenig unterscheiden
und bei denen von der Ehre Gottes und einer Verherrlichung des
Glaubens nicht die Rede war. Man erkennt, es kommt ihm einzig und allein
auf die Verherrlichung jenes äusserlichen Ritterthums seiner Zeit an, das in denselben
Jahren an dem Oesterreicher Peter Suchenwirt (oben S. 155) einen so
begeisterten Lobredner fand, während es von Heinrich dem Teichner (oben
S. 161) schon in allen seinen Blössen dargestellt wird. Auch Wigand scheint an
einer Stelle (C. 141) mit denen, die an den Kriegsreisen in Preussen gegen die
schon zum Christenthum übergetretenen Littauer Aergerniss nahmen, in Versen
eine Lanze gebrochen zu haben.
Mit dieser Tendenz des Buches steht es nicht im Widerspruch, wenn es
Wigand um die Zuverlässigkeit seiner Berichte nicht gerade besonders zu thun
war. Dass er die ihm vorliegenden Ueberlieferungen ohne strenge Prüfung und
Sichtung ihres Inhaltes in seine Reime übertrug, erkennt man schon aus der
häufigen Umwandlung eines und desselben Ereignisses in zwei oder noch mehrere,
wenn er sie in verschiedenen Quellen fand. Schütz zählt ihn zu den nachlässigen
Schriftstellern, die sich der Genauigkeit in der Angabe der Namen nicht
befleissiglen; auch der lateinische Uebersetzer spricht von der Unvollkommenheit
des Originales (C. 165). Die Kürze der Frist von nur wenigen Jahren, in
der Wigand (C. 165) seine Arbeit vollendete, mag auch manche Spuren von
Flüchtigkeit hinterlassen haben, um welcher willen er selbst um Nachsicht bat.
Für uns ist es schwer hierüber ein sichres Urtheil zu fällen, da nicht genau zu
ermitteln ist, welcher Antheil an den zahlreichen Irrthümern seines Werkes in
der Chronologie und in den Namen ihm, und welcher seinem Uebersetzer oder
1) Selbst die Rede (Schütz zu C. 24), welche Wigand dem Ordensmarschall unter den
ernstesten Verhältnissen in den Mund legt, verweist die Ordenskrieger nur ganz nebenher auf
den Glauben und bringt vorherrschend die Kriegsbeute, die Schande der Niederlage und
ahnliche äussere Motive zur Sprache.
Bearbeiter zur Last fällt; jedenfalls beweisen die ihm allein angehörenden Irrthümer
am Anfange der Chronik (C. 2) und die falschen Angaben über den Tod
und den Regierungsantritt mehrerer Hochmeister, sogar derjenigen, die seiner
Zeit, ja selbst seiner Person so nahe standen (C. 144 und 159), dass er über die
Geschichte des D. Ordens nur unvollkommen unterrichtet war.
Ueber die schriftstellerische oder gar dichterische Begabung Wigands wagen
wir angesichts einer so geringen Zahl von Fragmenten des Originals noch
weniger ein bestimmtes Urtheil zu fällen. Anscheinend hat er sich über das
Niveau zahlreicher ähnlicher Arbeiten seiner Zeitgenossen, in denen das Dichten
oder vielmehr Reimen in ziemlich mechanischer Weise betrieben wurde, wenig
erhoben. Er hat bei öftrer Gelegenheit Reden und Betrachtungen seiner Erzählung
eingeflochlen, von denen sein Uebersetzer wenig erbaut gewesen zu sein
scheint, da er sie lang (C. 127. 147. 157.) oder gar inhaltsleer (C. 14) nennt;
eine Probe solcher Reden, die uns im achten Fragmente vorliegt, scheint jedoch
ebenso wenig wie der von Schütz ausführlich mitgetheilte Inhalt einer andern
(zu C. 24) Rede diesen Vorwurf zu rechtfertigen, da in beiden Beispielen weder
Inhalt noch eine lebendige selbst drastische Darstellung vermisst wird.
Diese Eigentümlichkeiten Wigands in dem Plane und in der äussern Darstellung
seiner Arbeit gestatten schliesslich einige Rückschlüsse auf seine sonst
fast ganz unbekannte Person. In Betreff derselben herrschte seit dem Ende
des 16. Jahrh. bis vor wenigen Jahren die unangefochtene Tradition, Wigand
v. Marburg oder auch von Wartemberg, ein Ritter und Bruder
des D.O. habe zur Fortsetzung Dusburgs seine Reimchronik
verfasst. Wir sind jetzt, namentlich durch die Auffindung des Schützeschen
Autographons, im Stande dem Ursprung dieser Tradition bis zu seinen ersten
Quellen nachzugehen und die in ihr enthaltenen Irrthümer klar nachzuweisen.
Diejenigen, welche aus eigener Kenntniss des Wigandischen Originalwerks
über dasselbe berichteten, Bornbach und Caspar Schütz, nennen in ihren ersten
Berichten übereinstimmend als den Verfasser desselben »einen gewissen
Wigand.« Bornbach sagt in der Vorrede eines Bandes seiner Chronik (Kgl.
Biblioth. in Berlin MSS. Boruss. fol. 248), die er 15. Dec. 1564 niederschrieb,
und in welcher er sich über die Quellen der Preussischen Geschichte äussert:
»Wigandus ein alter Scribennt continuirtt die Historiam (Petri de Dusborg) weiter biss
z. J. 1393 und hotts reymweiss alles sehr vleissig beschrieben.« Und in
gleichem Sinne urtheilt Caspar Schütz zunächst in einem frühem Werke: »Annalium
civitatis Dantiscanae libri III« (MS.): »Ejus [Petri de Duisborg] historiam
continuavit Wigandus quidam rythmis usque ad a. 1394.« Und dem entsprechend
heisst es auch im Autographon seiner preussischen Chronik, und
zwar im ersten Entwurfe: »Wigandus hatt yhn (Petrum de Duysberch) continuiret
in Deutsch reimweise bis a. 1394 vnd sonderlich bella Lituanica.« In
seiner fortgesetzten Beschäftigung mit der preussischen Geschichte stieg jedoch
Schützen die Vermuthung auf, dass Wigand dem D. O. als Ritter oder geistlicher
Bruder angehört haben müsse, und in diesem Sinne spricht er sich im ersten
Entwurfe seines Brouillons so aus: »Die Ordensherren haben selbst auch
mehr den kriegen als den studiis obgelegen vnd allewege mehr auff Reuter als
Redener gewendet. Ich weis auch nicht, ob iemandt mehr des ordens gewesen
sey, der yhre geschicht beschrieben habe ausserhalb was Petrus de Duysborch
gethan, der doch gleichwol als ein geistlicher, vnd der selbst bei den
furnehmesten kriegs vnd andern, hendeln nicht gewesen ist, sehr kurtz vnd
schlecht herdurch gehet. Sonst ist noch einer, bruder Wigandus,
der Reimweise geschrieben.« In dieser Ansicht von einem Bruder Wigand
wurde nun Schütz sichtlich dadurch bestärkt, dass er in den handschriftlichen
Werken seines Freundes Bornbach den Bruder Hermann v. Wartberge
als Verfasser einer Chronik aus dem 14. Jahrh. genannt fand, den er
dann auch in der Erwartung, sich seiner als Geschichtsquelle bedienen zu können,
in das Quellenverzeichniss seines Brouillons gleich hinter Wigand aufnahm
mit den Worten: »Bruder Herman von Wartenberg hatt geschrieben anno
1378.« Da er aber diese Chronik nie zu sehen bekam (wie denn in seiner
preussischen Geschichte unter der lievländischen Chronik, die er nennt,
stets die Rüssowsche gemeint ist), so hat das in ihm anfangs die Vorstellung
erzeuge, Wigand und Bruder Hermann v. »Wallenberg« seien eine und dieselbe
Person; was ihn denn auch bestimmte, an zweien Stellen seines Buches, an denen
er Wigand citirt hatte, zu dem Namen »Wiganda einmal, C. 17, Bruder
(W.) von Wartemberg, das andre Mal C. 54 v. Wartemberg hinzuzusetzen,
welche Zusätze, da er sie bei der spätern Correctur der Handschrift wohl übersah,
auch in den Druck hinübergenommen wurden. Bei näherer Umschau in der
Wigandischen Chronik überzeugte er sich jedoch von seinem Irrthume, indem er
in derselben den vollständigen Namen Wigands auffand. In Folge dessen wurde
jetzt im Quellenverzeichnisse des Brouillons die Stelle über Hermann von Wartenberg
ausgestrichen und der Anfang der Stelle, die von Wigand handelt, in
die Worte umgewandelt: »Wigandus von Marburg, wie er sich
selbst nennet in dem beschlus« etc. Obgleich somit der Irrthum über
Herman v. Wartberg aufgeklärt war, so hielt Schütz doch auf Grund des aufgefundenen
scheinbaren Adelstitels fortan an der Ansicht fest, dass Wigand ein
Ritter und geistlicher Bruder des Deutschen Ordens sei. Demgemäss wurde in
der Vorrede der oben mitgetheilte Zweifel, ob ausser Dusburg noch andere Ordensritter
die Thaten des Ordens beschrieben hätten, in die directe Behauptung
umgewandelt: »Es seint wol ettliche des Ordens gewesen, die yhre geschicht
beschrieben haben als Petrus de Duysborch, Wigandus von Marburg
[ursprünglich stand geschrieben »Wigandus, Herman von Wartemberg;«
dann wurde Herman und Wartemberg ausgestrichen und über »Wartemberg«
»Marburg« gesetzt], Heinrich Caper, aber doch gleichwol als geistliche leute,
vnd die selbst bei den furnehmesten kriegs vnd andern hendeln nicht gewesen
sein, sehr kurtz vnd schlecht herdurchgehen.« Dem entsprechend enthalten die
gedruckten Chroniken Schützens im Quellenverzeichniss die feste Behauptung,
und zwar die erste Ausgabe (1592): Wigandus von Marburg, ein Ritterbruder
des Ordens, und die zweite Ausgabe (1599): ein Ritter, Bruder
dess Ordens hat Petrus von Dusborg continuiret« u. s. w.
Diesem Nachweise gemäss entbehren somit die Behauptungen, dass Wigand
ein Fortsetzer Dusburgs, dass er ein Bruder des D. O. und dass er
ein Ritter gewesen, in gleichem Maasse jeder äussern Beglaubigung und
sind leere zum Theil auf entschieden falschen Voraussetzungen gegründete Vermuthungen.
Dass Bornbach und Schütz darauf verfielen, ihn zum Fortsetzer
Dusburgs zu machen, ist verzeihlich, da sie, unbekannt mit dem Chronicon Olivense,
keine andere Quelle kannten, die sie mit unserer Chronik in Verbindung
bringen konnten; uns, denen jene wichtige Quelle jetzt aufgeschlossen ist, liegt
ihr Irrthum klar zu Tage. Die Annahme, dass Wigand ein Bruder des D. O. gewesen
sei (was er sein konnte ohne dem Ritterstande anzugehören), hat ihren
Ursprung in einem argen Missverständniss Schützens, und wird durch den Charakter
der Chronik nicht im Mindesten unterstützt. Dafür endlich, dass er ein
Ritter gewesen sei, sind weder äussere noch innere Zeugnisse vorhanden; denn
dass der Zuname: »v. Marburg« ebensogut eine Bezeichnung seines Geburtsortes
als einer Adelsfamilie sein kann, liegt auf der Hand; ja man muss eher an
einen Geburtsort denken, da eine Adelsfamilie dieses Namens nicht bekannt ist.
Dagegen geht aus dieser Untersuchung als sicheres Resultat hervor, dass Schütz
»am Beschlüsse« (das kann auch heissen in der letzten Hälfte) des Originalwerkes
eine Stelle fand, in welcher der Dichter sich selbst Wigand von Marburg
nannte; und wenn nun in der lateinischen Uebersetzung (C. 147) in einem Satze,
den der Uebersetzer sichtlich nicht verstanden hat, die Worte: Wigandi de
Margborg vorkommen, so sind diese Worte unzweifelhaft als die von Schütz
gemeinten anzusehen. Schon aber die an dem Namen des Dichters hier zu bemerkende
geringe Veränderung bringt uns um einen bedeutenden Schritt der
Ermittelung der Person unsere Dichters näher.
In dem Tresslerbuche des D. O. (im Königsberger geh. Archiv, f. 267. b.) nämlich
findet sich beim Jahre 1409 die Notiz:1 Item ij marc wygant von Marcburg
eym herolde gegeben von des meistere vnd groskompthurs geheyse,
der huskompthur his [d. h. gab den Befehl zur Zahlung]. Kaum kann man zweifeln,
dass unter diesem Herolde der Verfasser unserer Chronik gemeint ist; so
sehr stimmt schon die Namensform Marcburg mit dem in der lateinischen Uebersetzung
genannten Margborg; noch mehr aber passt ein Herold zu der Eigenthümlichkeit
des vorliegenden Werkes. Die Herolde2 bildeten in dieser Zeit des
prunksüchtigen Ritterthumes einen wichtigen und geachteten Stand, die keinem
Fürstenhofe, nicht einmal im heidnischen Littauen fehlten, und zwar bedurfte
jeder Hof in der Regel einer ganzen Anzahl derselben, die durch besondere
Tracht und Embleme ausgezeichnet, in einer zunftartigen Verbindung lebten,
deren Haupt der Wappenkönig war, und in welcher es ausser den Herolden
noch sogenannte Wappenkündiger oder Persevanten (Poursuivans) gab, welche
sich zu künftigen Herolden ausbildeten, und Läufer oder Boten, welche als Lehrlinge
zu betrachten sind. Neben diplomatischen Sendungen, zu denen sie häufig
verwendet wurden, war ihnen die Aufsicht über die ritterlichen Spiele und
Feste und die Aufrechthaltung der Gesetze ritterlicher Courtoisie und der Waffenetikette
anvertraut, wofür unter anderm eine genaue Bekanntschaft mit den
turnierfähigen Familien und ihren Wappen gefordert wurde. In ausgedehnterer
Weise wird man am Ordenshofe in Marienburg solche Kenntnisse verlangt haben,
da hier der Adel von ganz Europa zusammenströmte, und wird daher vielleicht
nirgends in deutschen Landen die mit solchen Kenntnissen ausgestatteten
Herolde höher geachtet haben als hier, wo, wie Wigand selbst (C. 110) erzählt,
1381 ein ausländischer Persevant zum Ritter geschlagen wurde. Ein solcher in
der Geschichte der Adelshöfe vornehmlich in Deutschland und Frankreich wohlerfahrener
Herold, von der regsten Theilnahme für alles ritterliche Thun und
Treiben, ohne doch persönlich in dasselbe einzugreifen und zugleich geübt über
1) A. v. Mülverstedt hat das Verdienst diese Notiz gefunden und zuerst auf ihre Bedeutung
aufmerksam gemacht zu haben (Neue Preuss. PBlätter Jahrg. 1855. B. I. S. 32. [See also Joachim, Erich (Hrsg.), Das Marienburger Tresslerbuch der Jahre 1399 - 1409, Königsberg i. Pr.: Thomas & Oppermann, 1896, p.524.]
2) Vgl. Bernd's allgemeine Wappenwissenschaft. Bonn 1841. I. S. 13 ff.
alle diese Verhältnisse berührenden Ereignisse in wohlgesetzter Rede, und selbst
in Reimen sich auszudrücken, entspricht vollkommen dem Bilde, welches uns
in dem Verfasser unserer Reimchronik entgegentritt.
Ueber die sonstigen Lebensverhältnisse dieses Wappenheroldes sind wir
zur Zeit fast ohne alle Kunde. Da unter dem Namen seines Geburtsortes Marcborg
oder Margborg ebenso gut Marburg in Hessen als eines der zahlreichen
Marienburge verstanden werden kann, so würde ich aus innern Gründen der
Stadt Marburg1 den Vorzug geben, einmal weil die mangelhafte Bekanntschaft
mit der Geschichte des Ordens bei einem gebildeten Ein- oder Anwohner
Preussens zu auffallend erscheint, sodann aber, weil die Anrufung der h. Elisabeth,
der Schutzheiligen Marburgs, am Anfange des Gedichtes (C. 1) lebhaft
an eine hessische Heimath erinnert. Aus dem Gedichte selbst erhalten wir
die Notiz, dass er sich in der Begleitung des Hochmeisters Conrad v.Wallenrod,
der vom 12. März 1391 bis 1393 25. Octbr. regierte, befand. Innerhalb dieser
drei Jahre, also möglicher Weise schon 1391, lernte er in Danzig das alte Buch
vom deutschen Orden mit der Fortsetzung der Mönche von Oliva kennen und
wurde durch dasselbe zur Abfassung seines Werkes angeregt, das er noch bei
Lebzeiten Conrad's von Wallenrod, also bis zum 25. October 1393 beendete.
Schon aus dieser Erklärung des Dichters in der Einleitung (C. 1) geht deutlich
hervor, dass er mit dieser vollendeten Arbeit nicht die uns vorliegende ganze
Chronik, sondern höchstens den mit C. 158 abschliessenden Theil gemeint haben
kann; wahrscheinlich hat sie schon mit C. 157 abgeschlossen, in welchem
Abschnitte er am Schlusse den verstorbenen Hochmeister »in langer Bede« verherrlichte.
Diese Chronik hat Wigand im folgenden Jahre 1394, während er
selbst an dem Feldzuge des Hochmeisters gegen Wilna, wie es scheint, als Zuschauer
theilnahm, durch Aufnahme aller bis zum September 1394 vorgefallenen
Ereignisse fortgesetzt und diesen Anhang nach halbjähriger Arbeit am
20. October 1394 beendigt. Wenn man in solcher Weise die in der Einleitung
und am Schlusse (C. 165) der Chronik scheinbar sich widersprechenden Nachrichten2
vereinigt, so gelangt man zum Resultat, dass der Chronist nicht, was
schon an sich kaum möglich erscheint, 6 Monate, sondern, noch immer eine
kurze Zeit für ein solches Werk, 3—4 Jahre an seinem Gedichte arbeitete. Bornbach,
der, wie wir oben zeigten, seinen Auszug mit 1393 abschloss, hat ohne
Zweifel ein Exemplar der Chronik, dem der Nachtrag von 1394 fehlte, benutzt.
1) Doch will ich nicht verschweigen, dass der Name Wigand sich in dieser Zeit als Familienname,
in der wenig abweichenden Form Vygans in Marienburg findet. In einer in
Riesenburg 1379 18. Aug. (Voigt. C. Dipl. Pruss. III. p. 179 [p. 180 seems to be correct.]) ausgestellten Urkunde kommt
als Zeuge Petir Vygans, Steinmeister zu Marienburg vor.
2) Wenn Wigand 6 Monate vor dem 20. Octbr. 1394, also 20. April 1394 sein Werk begann
(C. 165), so steht das im Widerspruche mit C. 1, wo die Arbeit unter der Regierung
Conrad von Wallenrods vollendet sein soll.
Zur Herstellung eines möglichst vollständigen Textes habe ich die lateinische
Uebersetzung zur Grundlage gemacht, sie, da ihr eine durchgehende
Eintheilung in Abschnitte fehlt, in Capitel gesondert, deren Zahlen an den Rand
gesetzt sind. Jedem dieser Capitel, welche hie und da in Unterabtheilungen
geschieden worden sind, sind am Ende die ihm entsprechenden Stücke im
Bornbachischen Auszuge und in der Schützischen Bearbeitung, letztere nach
dem Autographon desselben, in kleiner Schrift hinzugefügt, und wo Fragmente
des Gedichtes selbst vorhanden sind, diese in grosser Schrift neben die lateinische
Uebersetzung in gespaltener Columne gesetzt worden. Der hinzugefügte
kritische Commentar giebt theils über die zahlreichen in der Handschrift
der Uebersetzung von ihrem Schreiber vorgenommenen Correcturen, theils über
die Aenderungen, welche von uns im Texte der Uebersetzung und der Fragmente
gemacht sind, theils endlich über die wichtigsten Abweichungen unseres
Textes von der Textes-Recension der Voigt-Raczyńskischen Ausgabe Aufschluss.
Die nächste Sorge betraf die sehr häufig schwankenden oder offenkundig falschen
Zeit angaben der Chronik, welche ich überall auf Grund der vorhandenen
urkundlichen Berichte oder der Chronik Hermanns v. Wartherge und der
Thorner Annalen einer genauen Revision unterzog, deren Resultate, insoweit
sie mit Sicherheit zu gewinnen waren, am Rande dem Texte beigefügt
sind. In dem sachlichen Commentare hielt ich es zunächst für meine
Pflicht an den Stellen, welche wegen Unklarheit des Ausdruckes eine verschiedenartige
Auflassung zulassen, dem Leser mitzutheilen, ob und wie ich dieselben
verstanden habe, während ich die sachlichen Schwierigkeiten mit Hülfe der noch
vorhandenen zeitgenössischen Quellen wegzuräumen mich bemühte. Hiebei bemerke
ich, dass ich auch für die littauischen Verhältnisse aus nur zu
sehr gerechtfertigtem Misstrauen von allen nicht unmittelbar aus derselben Zeit
stammenden Quellen, namentlich von Długosz, Kojalowicz, Karamsin u. A.
mich fern gehalten und ausser den in den Beilagen milgetheilten Originalquellen
nur noch die von A. N. Popow 1854 im ersten Bande der gelehrten Denkschriften
der Petersburger Akademie der Wissenschaften in russischer Sprache
herausgegebene Chronik der Grossfürstcn von Littauen, deren Verfasser zwischen
1380 und 1450 lebte, zu Hülfe genommen habe; auch letztere Chronik
wird im dritten Bande in deutscher Uebersetzung ganz oder im Auszuge mitgetheilt
werden. Endlich ist in den Beilagen die reiche Masse des in nichtpreussischen
gleichzeitigen Schriften enthaltenen unsere Chronik ergänzenden
Stoffes nach der im Vorworte zu denselben gegebenen Uebersicht niedergelegt
worden. In der Sammlung des Stoffes sowie bei der Entzifferung der Handschrift
haben mich meine Freunde, die Herren Töppen und Strehlke, mit aufopfernder
Hingebung unterstützt, wofür ich Ihnen auch an dieser Stelle zu
danken mich gedrungen fühle; dem letztern verdanke ich namentlich die Textes-Recension
der Fragmente.
Schliesslich bitte ich den Leser zu beachten, dass Alles, was am Rande des
Textes angemerkt oder im Texte mit eckigen Klammern eingeschlossen ist,
dem Herausgeber, alles aber, was sonst innerhalb des den Text begränzenden
Randes sich befindet und namentlich auch das von runden Klammern Eingeschlossene
dem Originale angehört.
fol. 279.